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Meine Katze

Meine Katze ist mir optimal angepasst. Wir leben seit 6 Jahren in einer absolut harmonischen Beziehung zusammen, die stark symbiotische Züge trägt. In dieser Zeit ist mir das wunderbare Geschöpf zu einem großen Lehrer und Meister geworden, ihre nonverbalen Belehrungen erteilt sie hauptsächlich in der Anmut und Grazie, mit der sie sich bewegt, mit der sie spielt und in der sie ruht. Sie führt mir vor, wie man es sich wohlig behaglich macht und nie treffe ich sie in einem Zustand nervöser Anspannung an – außer an Silvester, wenn draußen die Böller losgehen. Das empfindet sie als Bedrohung: in geduckter Haltung, mit peitschendem Schwanz und furchtsamem Blick hockt sie sich an einen vermeintlich sicheren Platz und leidet ein bisschen, unschlüssig, ob jetzt Flucht oder Angriff angesagt ist. Am nächsten Tag aber ist alles vergessen und sie fordert in gewohnter Manier ihr Futter ein. Sie hat erhebliches Übergewicht, weil sie alles verschlingt, was man ihr hinstellt. Ich stelle ihr nur noch drei karge Nassmahlzeiten am Tag hin und gebe ihr zwischendurch etwas Trockenfutter zum Jagen, damit sie in Bewegung kommt. Diese mobilen Zwischenmahlzeiten machen uns beiden viel Spaß und wenn sie sich besonders angestrengt hat, kriegt sie hin und wieder ein kleines Schälchen verdünnte Sahne extra, das sie begeistert aufschlürft. Es mag Katzen geben, denen man die Dosierung ihrer Futterration selbst überlassen kann, ohne dass sie aus dem Ruder laufen, meine gehört nicht dazu. Die Verantwortung für die Nahrungsmenge liegt allein bei mir, ihr fehlt einfach die Vernunft hinter der Gier. Ihr soviel zu fressen zu geben, wie SIE will, wäre auf Dauer sehr schädlich für ihre Gesundheit und das will ich nicht riskieren.

Meine Katze ist eine absolut pflegeleichte Katze mit einem gelassenen, genügsamen und geduldigen Gemüt. Sie kratzt nicht an den Möbeln, nervt nicht aufdringlich, wenn sie Futter will, sie spuckt nicht, sie pieselt nicht daneben oder wohin sie nicht soll und sogar in ihren Zärtlichkeitsbekundungen wird sie niemals aufdringlich. Eine gewisse vornehme Zurückhaltung ist ihr eigen und obwohl sie aus einem Bauernhaushalt mit halbwilden Geschwistern kommt, zeigt sie gepflegte Umgangsformen, als entstamme sie dem nobelsten Rassegeschlecht.

Meine Katze ist eine sehr geschwätzige Katze. Sie verfügt über ein differenziertes Spektrum an Lautäußerungen, mit dem sie ihre Bedürfnisse und Meinungen formuliert. Schon ein Stockwerk unter meiner Wohnung höre ich bereits ihr Geschrei: "Kommst Du endlich bei, ich hab Hunger!" Erwartend steht sie hinter der Tür und knurrt und mault ein bisschen rum, unterbrochen von kleinen Maunzern der Wiedersehensfreude. Dann geht sie schnurstracks zum Futternapf voraus, in der sicheren Erwartung, dass ich hinterherkomme und ihr gebe, was sie will. Manchmal lasse ich sie zum Spaß etwas warten und stelle ihre Geduld auf die Probe. Dabei wird sie allerdings nie unwirsch oder gar aggressiv, sondern unterstreicht ihr Anliegen beharrlich durch unruhiges Herumgelaufe und einen fordernden Unterton in dem Gegurre, das sie bei dieser Prüfung von sich gibt. Wenn ich mich dann aber aus der Reichweite des Futternapfes entferne ohne sie zu füttern und meinen eigenen Angelegenheiten nachgehe, lässt ihr Gedrängel schnell nach und sie findet sich vorübergehend damit ab, das es JETZT nichts zu fressen gibt und wendet sich auch anderen Dingen zu. Sobald ich mich der Futterquelle aber wieder nähere, ist auch sie sofort wieder zur Stelle und trägt mit zäher Beharrlichkeit erneut ihre Forderungen vor.

Am liebsten nörgelt sie rum. Sie drückt ihre Unzufriedenheit in einer Art unmissverständlichem Gurren aus, das auch dann auftaucht, wenn sie ambivalente Gefühle hat. Manchmal, wenn mich mal wieder so ein Schwall herzlichster Zuneigung überkommt, nehme ich sie auf den Arm, ohne drauf zu achten, ob sie das jetzt will oder nicht. Meistens will sie nicht so richtig, hält aber still und gibt Laute von sich, die besagen sollen: "Ich weiß ja, dass Du es gut mit mir meinst, aber ich hab jetzt keinen Bock zum Kuscheln".

Wenn sie mal Bock zum Kuscheln hat – was nicht in der Häufigkeit vorkommt, die ich mir persönlich wünsche – dann tut sie auch das durch eine typische Lautäußerung kund: es ist das berühmte Schnurren der Katze, das von jedermann als äußerst wohltuend empfunden wird, drückt es doch tiefstes Wohlbehagen aus und ist überaus ansteckend. Die therapeutische Wirkung, die von diesen Schnurrlauten ausgeht, ist nicht zu unterschätzen: sie haben eine enorme Wirkung auf die Herzfrequenz und den Blutdruck des Menschen. Auch ich genieße diese Augenblicke trauter Zweisamkeit sehr und kann dabei total entspannen. Gefühle zärtlicher Liebe und tiefer Dankbarkeit durchfluten mich, wenn die Katze mit zusammengekniffenen Augen auf meinem Bauch liegt und meinen Berührungen nicht ausweicht, sondern ihnen entgegenkommt. Ich bin gerührt von dem Vertrauen, das sie mir entgegenbringt. Manchmal leckt sie mir in solchen Situationen auch die Hand ab, so wie eine Katzenmutter das mit ihren Jungen tut oder so, als würde sie sich putzen. Das freut mich dann besonders, denn ich nehme es als Erwiderung meiner Zärtlichkeit gerne an.

Meist dauern diese Augenblicke innigster Gemeinsamkeit nicht lange, so nach etwa 10 min hat sie genug davon und trollt sich. Entweder legt sie sich an das Fußende des Bettes oder sie sucht einen ihrer Lieblingsplätze in einem anderen Raum auf, wo sie dann ganz für sich sein kann. Sie ist ganz gern für sich allein und es bereitet auch keine Probleme, sie über längere Zeiträume allein zu lassen. Ihre Anhänglichkeit ist gerade mal so dezent ausgeprägt, dass man kein schlechtes Gewissen haben muss, wenn man sich mal für eine Weile entfernt. Hin und wieder nutzt sie die Gelegenheit, schnell durch die Wohnungstür zu entwischen, wenn man aus dem Haus geht (da wir mitten in der Stadt und im 5. OG wohnen, darf die Katze nicht raus). Einen Augenblick nicht aufgepasst und schon ist sie draußen, rennt die Treppe runter und schnüffelt im unteren Stockwerk interessiert an den Teppichvorlegern. Sie lässt sich aber problemlos wieder einsammeln, mehr als 2 Stockwerke weit ist sie bisher nicht gekommen. Wenn man sie dann wieder hoch trägt, protestiert sie natürlich auf die ihr eigene stimmliche Art, aber sie lässt sich den Rücktransport gefallen ohne zu zappeln und zu strampeln. Neugier und der Wunsch nach Freiheit, die hinter diesen Fluchtversuchen stehen, sind ja durchaus legitime Antriebe, das gewohnte Revier zu verlassen und ich nehme die Unbequemlichkeiten, die mit diesen "Ausbrüchen" verbunden sind, daher verständnisvoll in Kauf.

An etwa 4 von 7 Abenden besucht mich meine Katze abends im Bett, gerade wenn ich dabei bin, nach meiner Nachtlektüre zu greifen. Sie kommt angetrappelt, springt mir auf den Bauch und steht erst mal für einige Augenblicke unschlüssig da. Dann dreht sie mir ihr Hinterteil zu und fängt an zu treteln. Diesen Milchtritt behält sie bei, während sie sich langsam umdreht und mir ihr Gesicht zuwendet. Erst dann lässt sie sich allmählich nieder, klappt ihre Vorderpfoten ein und fängt an zu schnurren, während sie gleichzeitig die Augen schließt. Jetzt wird es richtig gemütlich. Die Vibration ihres sehr kräftigen Schnurrens dringt mir ins Innerste und kitzelt mich bis in die Fußsohlen. Ich versuche dann, diese Wollust durch Streicheln noch zu verstärken und sie antwortet darauf mit sichtlichem Wohlbehagen. Es ist herrlich und könnte entspannender nicht sein, dauert aber leider nicht sehr lange. So ungefähr nach 10 min hat sie von dieser Intimität genug und trollt sich wieder, um sich – wie oben schon erwähnt – entweder ans Fußende des Bettes oder in einen anderen Raum zu begeben. Es liegt nicht in meiner Macht, diese köstliche Zwiesprache zwischen Mensch und Tier nach meinem Willen zu verlängern. Wenn sie genug hat, hat sie eben genug und da hilft kein Bitten und Flehen und schon gar kein Kommando. Eine Katze ist eben kein Hund.

Meine Katze gehorcht mir nicht. Ich rufe sie bei ihrem Namen und manchmal kommt sie, manchmal aber auch nicht. Drehe ich ihr den Rücken zu, tut sie genau das, was ich ihr soeben untersagte. Obwohl sie genau weiß, was sie nicht tun soll – z.B. Topfpflanzen anknabbern – schert sie sich einen Dreck drum, es sei denn sie wird gerade bei einer Missetat ertappt. Dann lässt sie sich zwar verscheuchen und verdrückt sich schuldbewusst in irgendeinen Winkel, aber nur bis zum nächsten Mal. Auch in dieser Hinsicht unterscheidet sie sich sehr von einem Hund.

Ich sitze im Wohnzimmer auf der Couch und rufe nach ihr, weil ich Lust habe, mich ein bisschen mit ihr zu beschäftigen. Ich rufe und rufe, sie kommt nicht. Ich sitze im Wohnzimmer auf der Couch und habe in meiner Hand ein Knabberstengelchen für sie und rufe nach ihr. Sie kommt sofort. Woher, um Himmels willen, kennt sie meine Absichten? Das ist mir ein Rätsel. Ein Rätsel für mich ist auch, dass sie mich schon von weitem kommen hört oder fühlt: wenn ich unten die Haustür aufschließe, sitzt sie schon erwartungsvoll hinter der Wohnungstür im 5. Stock. Sehr gerne wüsste ich auch, was in ihrem Kopf vorgeht, wenn sie so ruhig entspannt vor sich hindöst und ihre Geheimnisse pflegt.

Meine Katze ist sehr schön. Sie ist ein Musterstück an ästhetischer Vollkommenheit und Anmut. Meine Katze ist die Seele meiner Wohnung. Meine Katze ist mir Vorbild und spiritueller Meister. Meine Katze ist der beste Psychotherapeut, den ich bisher je kennen lernte. Meine Katze ist das wunderbarste und vollkommenste Geschöpf , das Gott je geschaffen hat. Meine Katze ist mir heilig.

Vielen Dank an Gabriele (26. März 2009)